Reaktionsmöglichkeiten auf aktuelle Schwankungen im Materialpreis

26.05.21 | Branchen-News

BTGA informiert seine Mitglieder zu Reaktionsmöglichkeiten auf die aktuellen starken Materialpreisschwankungen

Infolge der Corona-Krise kommt es aktuell weltweit zu Engpässen bei bestimmten Materialien. Daraus resultieren auch teilweise extreme kurzfristige Preissteigerungen. Während der laufenden Realisierung von Aufträgen kann das zu erheblichen Verlusten bei den ausführenden Firmen führen, da der mit dem Auftraggeber vereinbarte Gesamtpreis die gestiegenen Materialpreise nicht abdeckt. Diese Situation macht es aber auch schwierig, auskömmlich kalkulierte Angebote auszuarbeiten. Aus diesen Gründen hat der BTGA Bundesindustrieverband Technische Gebäudeausrüstung e.V. ein Papier mit Hinweisen, wie seine Mitglieder mit der Situation umgehen können, erarbeitet. Dieses Schreiben wurde am 19.05.2021 veröffentlicht und an Vorstand, Landesverbände und Fachbereiche verteilt.

Das Papier gliedert sich in 4 Hauptabschnitte:

1. Laufende Bauverträge

Ohne besondere vertragliche Vereinbarungen mit dem Auftraggeber trägt der Auftragnehmer das Preisrisiko für das von ihm zu kaufende Material. Bei extremen, kurzfristigen und unvorhersehbaren Preiserhöhungen kann der Auftragnehmer unter Umständen auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB abstellen und eine Vertragsanpassung oder Kündigung verlangen. Voraussetzung wäre allerdings, dass die der Preisbildung durch den Auftragnehmer zugrundeliegenden Daten offengelegt und Bestandteil des Vertrages wurden. Anderenfalls hat dieses Anliegen wenig Aussicht auf Erfolg.

Verlangt der Auftraggeber geänderte oder zusätzliche Leistungen nach §§ 1 und 2 VOB/B bzw. § 650 c BGB, entsteht ein Mehrvergütungsanspruch. Im Rahmen der dabei dem Auftragnehmer entstehenden Kosten ist es möglich, auch gestiegene Materialkosten mit zu berücksichtigen.

Änderungen bei der angesetzten Menge des Materials um mehr als 10% begründen ein Verlangen zur Neuverhandlung des Preises. Das gilt allerdings auch bei Unterschreitung der ursprünglich geplanten Menge. Bei einer Überschreitung sind die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge maßgeblich. Das ist in dem BGH-Urteil vom 08. August 2019 – VII ZR 34/18 festgelegt. Das macht es möglich, für den die 10% übersteigenden Anteil die Materialpreissteigerungen mit einzurechnen.

Eine Vertragskündigung nach § 6 VOB/B ist bei einer Bauunterbrechung von mindestens 3 Monaten möglich. Das gibt dem Auftragnehmer die Möglichkeit von Preis-Neuverhandlungen, wenn der Auftraggeber an einer Fortsetzung des Vertrages interessiert ist.

2. Gestaltungsmöglichkeiten in der Angebotsphase

In der aktuellen Situation sollten Angebote nur freibleibend (also nicht bindend) oder mit einer kurzen Bindefrist abgegeben werden. Ein Vertragsabschluss kommt so erst mit der Auftragsbestätigung durch den Auftragnehmer zustande. Ist der Auftrag aufgrund gestiegener Materialpreise mit den ursprünglich angebotenen Konditionen nicht mehr rentabel realisierbar, kann der Auftragnehmer Abstand vom Vertrag nehmen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Allerdings muss im Angebot eindeutig vermerkt sein, dass es freibleibend ist. Und der Auftraggeber muss darüber informiert werden, dass der Vertrag nicht zustande kommt. Alternativ kann der Auftragnehmer eine Zusatzvereinbarung in den Vertrag aufnehmen, auf deren Grundlage bei Materialpreissteigerungen Nachverhandlungen über den Gesamtpreis der vertraglichen Leistungen durchgeführt werden müssen. Auch die Vereinbarung einer automatischen prozentualen Preisanpassung bei bestimmten Materialpreissteigerungen ist möglich.

Das Schreiben des BTGA enthält Beispielformulierungen für die oben genannten Fälle, auf die sich die Mitgliedsfirmen stützen können. Sie sollten vom Verwender für jeden Einzelfall und Verwendungszeitpunkt angepasst werden. Sie dienen der Streitvermeidung, sind jedoch nicht unbedingt gerichtsfest.

3. Öffentliche Bauvorhaben

Bei öffentlichen Vorhaben darf nur der Auftraggeber Preisgleitklauseln zum Bestandteil der Vergabeunterlagen machen. Potenzielle Auftragnehmer haben die Möglichkeit, eine Bieteranfrage an den Auftraggeber zu richten und somit die Möglichkeit einer Preisanpassungsklausel aufgrund steigender Materialpreise zu klären. Erfolgt die Ausschreibung ohne Gleitklausel, trägt grundsätzlich der Auftragnehmer das Preisrisiko.

Andererseits darf der öffentliche Auftraggeber laut VOB/A § 7 dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufbürden. Das gilt auch für unvorhersehbar steigende Materialpreise. Und § 9 VOB/A legt fest, dass bei zu erwartenden wesentlichen Änderungen der Preisermittlungsgrundlagen eine angemessene Änderung der Vergütung in den Vertragsunterlagen vorgesehen werden kann. Auf diesen Grundlagen hat der Auftragnehmer die Möglichkeit, bei Vorliegen der Voraussetzungen in Form der Rüge eines Vergabeverstoßes beim Auftraggeber eine Anpassung der Vertragsunterlage zu erreichen.

4. Lieferverzögerungen

Die Materialengpässe führen auch zu Lieferverzögerungen. Der Auftragnehmer ist jedoch nicht für verzögerte Lieferungen seines Baustofflieferanten haftbar. Das wurde durch das Urteil 6 U 40/07 des OLG Celle vom 11.10.2007 bestätigt. Demzufolge kann der Auftraggeber in diesem Fall dem Auftragnehmer keine Vertragsstrafe auferlegen. Laut dem gleichen Urteil muss der Auftragnehmer das benötigte Material nicht bevorraten. Er muss lediglich mit einer rechtzeitigen Bestellung dafür Sorge tragen, dass das Material bei normalem Geschäftsgang zum Termin des Einbaus zur Verfügung steht.

Wir hoffen, dass ihnen diese Hinweise in der aktuellen Situation eine Hilfe sind. Den kompletten Wortlaut des Originaldokumentes können Sie nachfolgend herunterladen.


Quelle: Schreiben BTGA
Foto: nuttawutnuy @AdobeStock

 
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