Die ISO 16890 für Luftfilter: Fakten für Profis

15.05.18 | Produkte

Wer beruflich mit der Filterung von Luft zu tun hat, muss die neue ISO 16890 kennen. Nun zählt das Lesen von Normen nicht zu den bevorzugten Freizeitbeschäftigungen der meisten Menschen. Also haben wir für Sie alle wesentlichen Aspekte der neuen Filterprüfung und -klassifizierung zusammengefasst. Einmal sehr ausführlich und detailliert und einmal eine Kurzzusammenfassung für alle, die nur das wesentliche wissen wollen:

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Die neue DIN EN ISO 16890

Der Luftfilter

Luftfilter für raumlufttechnische Anwendungen werden aus den unterschiedlichsten Filtermaterialien gefertigt. Diese unterschiedlich eingesetzten Materialien erreichen ihre Abscheideleistung gegenüber den zu filternden Stoffen und Partikelgrößen durch sehr unterschiedliche Funktionsprinzipien.

Luftfilter funktioniert nicht ausschließlich wie ein Netz, das aufgrund seiner Maschenweite alle Partikel mit einem größeren Durchmesser zurückhält. Feinstäube mit geringeren Durchmessern werden im Filtermaterial durch verschiedenen physikalische und chemische Prozesse aus der strömenden Luft abgeschieden. Neben der Massenträgheit spielen hier besonders in synthetischen Filtermaterialien elektrostatische Aufladungen und andere Adhäsionskräfte eine wichtige Rolle.

Da der Mix zwischen diesen Abscheideformen für jedes Filtermaterial unterschiedlich ist, verändert sich die Leistung von Filtern durch Umwelteinflüsse und andere Faktoren ganz unterschiedlich.

Generell gilt, dass die Filterwirkung mit der Betriebsdauer und dem Beladungszustand steigt, da die „Maschen“ durch die aufgenommenen Partikel zunehmend verkleinert werden.

Ab Juli gilt eine neue Norm für Luftfilter: Die DIN ISO 16890

Von vielen unbemerkt wurde zur Jahreswende 2016/2017 eine neue Filternorm, die DIN EN ISO 16890 eingeführt. Sie löst am Ende einer 18-monatigen Übergangsfrist am 01.07.2018 die EN 779 endgültig ab. Mit weitreichenden Folgen.

Ab Juli 2018 dürfen Filter nicht mehr mit der bislang bekannten Klassifizierung G1 bis F9 gehandelt und eingebaut werden. Ab diesem Zeitpunkt sind nur noch Filter zu verwenden, die entsprechend DIN EN ISO 16890 geprüft, in entsprechenden Gruppen eingeteilt und ausreichend gekennzeichnet sind.

Die Hintergründe

Luftbelastungen durch Feinstäube nehmen weltweit zu. Aufgrund des nachgewiesenen negativen Einflusses auf die menschliche Gesundheit, rückt dieses Problem immer stärker in den öffentlichen Focus. Hohe Feinstaubbelastungen sind nach aktuellen Erkenntnissen ursächlich für viele Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen. Besonders in Partikelgrößen kleiner 10µm sind die als Feinstaub bezeichneten Gemische aus festen und flüssigen Bestandteilen nicht nur lungengängig, sondern gelangen über die Lunge teilweise sogar in den menschlichen Blutkreislauf.

Die gesundheitlichen Risiken einer zu hohen Belastung der Atemluft mit Feinstäuben werden folgerichtig von viele Ländern als erheblich eingestuft. Um grenzübergreifende Maßnahmen gegen diese Entwicklung zu setzen, wurden in den vergangenen Jahren einheitliche Standards und Messverfahren geschaffen, die eine genaue Bewertung einer Feinstaubbelastung ermöglichen.

Feinstäube werden inzwischen in verschiedene Partikelgrößenfraktionen unterteilt. Weltweit ermitteln und veröffentlichen immer mehr Organisationen und Behörden Feinstaubwerte in den Fraktionsgruppen PM10, PM 2,5 und PM1 und ermöglichen so die Vergleichbarkeit Ihrer Mess- oder Grenzwerte. Die Gruppe PM 10 umfasst dabei alle Feinstäube mit Partikelgrößen bis 10µm, PM 2,5 bis 2,5µm und PM1 bis 1µm.

DIE DIN EN ISO 16890

Die DIN EN ISO 16890 nimmt diesen Ansatz auf und unterscheidet Filter nicht mehr nach Ihrem Abscheideverhalten gegenüber einer einzigen Partikelgröße von 0,4µm, sondern teilt Filter in 4 neue Gruppen auf.

·         ISO Coarse          Filter für Stäube ab 10µm

·         ISO ePM10         0,3µm bis 10µm

·         ISO ePM2,5        0,3µm bis 2,5µm

·         ISO ePM1            0,3µm bis 1µm

Mess- und Auswerteverfahren nach ISO

Das Mess- und Auswerteverfahren für die Filtergruppen ISO ePM10 bis 1 ist aufgrund der neuen Betrachtungsweise erheblich komplizierter, als nach EN 779.

Die Prüfung zur Eingruppierung in ISO Gruppen kann nicht mehr gravimetrisch, also durch simples Wiegen eines Filters vor und nach Beaufschlagung mit Prüfstaub, ausgewertet werden, da nach ISO eine Aussage über das tatsächliche Abscheideverhalten eines Filters gegenüber jeder Partikelgröße getroffen werden muss.

Es ist also notwendig, die tatsächlich Anzahl abgeschiedener Partikel je Partikelgröße zu erfassen und mit den während des Versuchs zugegebenen Partikelmengen abzugleichen.

Um das Abscheideverhalten der Filter auch unter ungünstigen Einsatzbedingungen zu prüfen, gibt die ISO 16890 ebenso wie die EN 779 Testzyklen mit unbehandelten und elektrostatisch entladenen Filtern vor, um den Testfilter auch im ungünstigsten Betriebszustand zu bewerten.

Das Ziel der Messung sind die Ermittlung der Anfangsfraktionsabscheidekurve, also die Darstellung des Abscheidegrades im Verhältnis zur Partikelgröße für den unbeladenen und nicht konditionierten Filter, und der minimalen Fraktionsabscheidegradkurve des elektrostatisch entladenen Filters.

Rechnerisch wird aus beiden Kurven anschließend die Kurve des mittleren Fraktionsabscheidegrades bestimmt. Im Zuge der Messung werden auch Werte wie die Anfangsdruckdifferenz, der Nennvolumenstrom und die Staubspeicherfähigkeit geprüft.

Jede Prüfung erfolgt dabei nach einem fest vorgegebenen Ablauf und definierten Prüfverfahren.

Einen Sonderfall stellen Filter dar, die nicht in eine der drei ISO ePM Gruppen eingruppiert werden, da sie die Mindestvoraussetzungen der Gruppe ePM10 nicht erreichen. Hierbei handelt es sich in der Regel um Filter vergleichbar der alten Klassen G1 bis G4. Diese Filter werden analog zum alten Prüfverfahren nach EN 779 direkt mit einem Synthetischen Staubgemisch bis zum Erreichen der Enddruckdifferenz beaufschlagt. Anschließend werden der Abscheidegrad und die Staubspeicherfähigkeit für diese Filter gravimetrisch bestimmt.

Die Neueinstufung aller Filter

Um eine möglichst wirklichkeitsnahe Beurteilung der Filter zu erreichen, rechnet die ISO 16890 die im Messverfahren ermittelten Fraktionsabscheidegrade nicht direkt in die für die Filtergruppierung notwendigen Feinstaubabscheidegrade ePMx um, sondern nimmt in ihre Betrachtung die durchschnittliche Verteilung der Partikelgröße in der Umgebungsluft mit auf.

Hierfür wurden zwei standardisierte Verteilungskurven erarbeitet, aus denen sich jeweils für eine urbane und eine ländliche Umgebung durchschnittliche Partikelanzahlen in % in den einzelnen Partikelgrößen entnehmen lassen.

Unter Zuhilfenahme der mathematischen Funktionen dieser Verteilungskurven werden die Messergebnisse der Fraktionsverteilungskurven unterschiedlich gewichtet. Hat ein Filter z.B. gegenüber einer Partikelgröße y ein schlechtes Abscheideverhalten und kommt diese Partikelgröße laut Verteilungskurve nur in geringen %-Anteilen in der betrachteten urbanen oder ländlichen Umgebungsluft vor, so geht der zugehörige durchschnittliche Fraktionsabscheidegrad der Partikelgröße nur mit einem entsprechend geringen Anteil in das Endergebnis, also dem Feinstaubabscheidegrad ePMx ein.

Die Berechnungen der mittleren Feinstaubabscheidegrade ePM10 bis ePM1 und minimalen Feinstaubabscheidegrade ePM 2,5 min und ePM 1 min erfolgen entsprechend vorgegebener Formeln aus den zuvor berechneten durchschnittlichen bzw. den minimalen Fraktionsabscheidegraden und der standardisierten Partikelgrößenverteilung. Für ePM1 und ePM2,5 werden urbane Partikelverteilung für ePM10 die ländliche vorgegeben.

Die Gruppenzuordnung

Die Zuordnung der Filter in die korrekte ISO Gruppe erfolgt durch Abgleichen der errechneten ePM10 bzw. ePM 2,5 min und ePM1 min Werte mit den Schwellenwerten der Norm. Ein Filter qualifiziert sich für eine Gruppe, wenn der errechnete ePM bzw. ePMmin Wert größer oder gleich dem Schwellenwert von 50% ist. Jeder Filter wird ausschließlich der höchsten Gruppe zugeordnet, für die er die Anforderungskriterien erfüllt.

Beispiele:

  • Ein Filter erreicht einen ePM10 Wert von 80%, einen ePM2,5 min Wert von 75% und einen ePM1 min Wert von 55%.
  • Dieser Filter erfüllt alle Mindestanforderungen und wird daher in die ISO ePM1 Gruppe eingestuft
  • Ein zweiter Filter erreicht einen ePM10 Wert von 60%, einen ePM2,5 min Wert von 48% und einen ePM1 min Wert von 25%.
  • Dieser Filter erfüllt lediglich die Anforderungen der ePM10 Gruppe und wird daher dort eingruppiert.
  • Erreicht ein Filter auch mit seinem ePM10 Wert nicht die 50%-Schwelle, ist dieser Filter in die Gruppe ISO COARSE einzugruppieren.
Die Klassifizierung

Die Klassifizierungswerte der Filter werden aus den errechneten durchschnittlichen Feinstaubabscheidegraden ePM gebildet, indem dieser Wert auf das nächste Vielfache von 5% abgerundet wird.

Beispiel:    

  • Ein Filter hat einen errechneten Wert von ePM2,5 78%, die Klassifizierung wird in diesem Fall mit 75% ausgewiesen.
Die Kennzeichnung

Alle Filter für Lufttechnische Anlagen, die von der ISO 16890 betroffen sind müssen nach Ende der Übergangsfrist ISO-konform und gut sichtbar ausgezeichnet werden. Die Kennzeichnung setzt sich aus der ISO Gruppierung und der Klassifizierung des Filters zusammen.

Beispiele:

  • ISO COARSE 90% Dieser Filter erreicht keine der ePM Gruppierungen und hat einen gravimetrischen Abscheidegrad gegenüber synthetischem Prüfstaub L2 (ISO 15957) von 90%
  • ISO ePM2,5 65% Dieser Filter erreicht den minimalen Wirkungsgrad von 50% gegenüber Stäuben mit Partikelgrößen von 0,3µm bis 2,5µm und hat für diesen Partikelgrößenbereich einen mittleren Wirkungsgrad von 65%
  • ISO ePM1 80%   Dieser Filter erreicht den minimalen Wirkungsgrad von 50% gegenüber Stäuben mit Partikelgrößen von 0,3µm bis 1µm und hat für diesen Partikelgrößenbereich einen mittleren Wirkungsgrad von 80%

Generell dürfen Filter nur mit einer Gruppierung und der dazu gehörenden Klassifizierung ausgezeichnet werde. Die Zusätzliche Angabe der erreichten mittleren Abscheidewerte für die übrigen ISO Klassen kann aber in technischen Unterlagen und allen Begleitdokumenten erfolgen.

Die Vorteile der ISO 16890

Die Vorteile der neuen ISO Klassifizierung liegen auf der Hand. Durch die Angabe der mittleren Abscheidegrade in einer anerkannten Abstufung ist es erstmalig möglich, die erreichte Luftqualität einer lufttechnischen Anlage für den geplanten Standort voraus zu berechnen und nachzuweisen.

Die bundesweit zur Verfügung stehenden Feinstaubbelastungswerte für Außenluft können ganz einfach mit der Abscheideleistung des Filters oder der Filterstufe errechnet werden. Hieraus ergibt sich direkt die zu erwartende Partikelbelastung für das geplante Lüftungssystem.

Nachteile der ISO 16890

Die alten Klassen der EN 779 sind mit den neuen Gruppierungen und Klassifizierungen der ISO 16890 nicht kompatibel, da unterschiedliche Mess- und Beurteilungsverfahren für die Zertifizierung von Filtern gegeben werden.

Die Umstellung eines bislang eingesetzten Filters auf ein neues Produkt kann daher nicht allgemeingültig in Übersetzungstabellen aufgelistet werden. Standard Filter von Felderer wurden von uns umgeschlüsselt und teilweise auf neue Filtermedien umgestellt, so dass für diese Filter folgende Vergleichstabelle zwischen EN 779 und ISO 16890 bereitgestellt werden kann.

Alte EN 779 ISO 16890
G4 ISO COARSE 90%
M5 ISO ePM10 70%
M6 ISO ePM2.5 55%
F7 ISO ePM2.5 65%
F8 ISO ePM1 75%
F9 ISO ePM1 80%

 

Diese Tabelle ermöglicht eine einfache Umschlüsselung bisher bezogener HTH Filter zwischen EN 779 und ISO 16890. Sind für den Einsatz eines ISO Filters in Ihrer Anlage weitere Normen oder Richtlinien, wie z.B. die VDI 6022 in der aktuellen Version sowie weiterer zukünftig erscheinenden Normen relevant, kann die Umschlüsselung nicht allein auf Basis dieser Tabelle erfolgen.

Die Änderung der Filterbewertung durch die ISO 16890 ergibt einen hohen Änderungsbedarf anderer Normen, Vorschriften und Richtlinien, die noch auf die alte EN 779-2012 und das darin festgeschriebene Klassifizierungssystem verweisen. Bis zur Überarbeitung dieser Normen können Schwierigkeiten bei der Interpretation einzelner Vorschriften nicht ausgeschlossen werden.

Die Neufassung der VDI 6022 (2018) greift als erste Richtlinie bereits die neuen Klassifizierungen auf und macht Vorgaben für Mindestabscheidegrade. Aus dieser Neufassung ergibt sich ein erheblicher Sanierungsbedarf in Anlagenbestand, da eine Umstellung dieser Anlagen auf ISO Zertifizierte Filter für den Geltungsbereich der Richtlinie vorgegeben wird.

Wir sind bereit!